Mehrsprachigkeit: der Schlüssel zur Ausbildung für Menschen mit Migrationshintergrund

Integration_UnternBefr_CoverHeute haben wir auf Destino Alemania die Duale Ausbildung in Deutschland als Thema. Hierbei geht es insbesondere um die Frage, welche Zukunftsperspektiven sie jungen in Deutschland lebenden Spaniern und Jugendlichen anderer Nationalitäten eröffnet. Zu diesem Thema haben wir Naemi Härle, Projektmanagerin der Bertelsmann Stiftung, interviewt. Sie ist verantwortlich für die kürzlich erschienene Studie „Berufsausbildung junger Menschen mit Migrationshintergrund“.

[box type=»info» align=»alignright» width=»100″ ]Entrevista en Español: El bilingüismo, una clave para promoverse en el mercado laboral alemán [/box]


Die Bertelsmann Stiftung hat eine Studie über die Berufsausbildung junger Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland veröffentlicht. Grob gesehen: Wie könnte man diese Situation beschreiben?

Unsere repräsentative Befragung von rund 1.000 Betrieben zeigt, dass für viele der Ausbildungsbetriebe in Deutschland die Ausbildung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund Normalität ist. Drei Viertel der Betriebe, die junge Menschen mit Migrationshintergrund ausbilden, machen in Ihrem Ausbildungsengagement keinen Unterschied zwischen Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund. Zugleich gibt es jedoch auch noch immer Vorbehalte. 60 % der Betriebe haben noch nie einen Azubi mit ausländischen Wurzeln eingestellt. Als Begründung werden vor allem die Sorge vor Sprachbarrieren oder kulturellen Unterschieden benannt.

Welche sind die größten Hürden, die diese Menschen auf dem Weg zur Ausbildung überwinden müssen? Wie ist der Erfolg im Vergleich zu ihren deutschen Kollegen?

Jugendliche mit Migrationshintergrund haben bei gleicher Qualifikation noch immer schlechtere Chancen auf dem deutschen Ausbildungsmarkt. Oft landen sie daher im sogenannten „Übergangssystem“. Dort können sie jedoch weder einen Berufsabschluss machen, noch ist zu einem späteren Zeitpunkt die Aufnahme einer Ausbildung garantiert. Für eine große Zahl von ihnen erweisen sich diese Maßnahmen als Sackgasse. Der „Ländermonitor berufliche Bildung 2015“ der Bertelsmann Stiftung zeigt, dass Hauptschüler mit ausländischem Pass bei der Ausbildungsplatzsuche abgehängt sind: Nur 37% von ihnen finden direkt eine Lehrstelle – deutlich weniger als deutsche Hauptschüler (54 %). Doch je höher der Schulabschluss, desto weniger Einfluss hat die Nationalität. Bei ausländischen Schulabgängern mit Abitur oder Fachhochschulreife liegt die Erfolgsquote für den Eintritt in eine Berufsausbildung nur knapp unterhalb der ihrer deutschen Altersgenossen (94 % zu 97 %).

Sind kleine und mittlere Unternehmen in Deutschland bereit, Ausländer als Azubis zu übernehmen, auch wenn sie die deutsche Sprache nicht beherrschen?

Als Grund für fehlende Auszubildende mit Migrationshintergrund gaben rund 38 % der Betriebe in unserer repräsentativen Befragung an, Sprachbarrieren zu befürchten. Mehr als ein Drittel der befragten Betriebe, die bereits Erfahrungen mit Azubis mit Migrationshintergrund haben, wünschen sich zusätzliche Sprachförderung bzw. Sprachkurse für die deutsche Sprache. Für den einzelnen Jugendlichen bedeutet das: Die deutsche Sprache zu erlernen ist eine sehr wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Suche nach einem Ausbildungsplatz. Der mit Abstand am häufigsten genannte Grund dafür, dass die Unternehmen keine Jugendlichen mit Migrationshintergrund ausbilden, waren jedoch mit 75 % fehlende Bewerbungen. Betriebe sollten entsprechend ihre Rekrutierungsstrategien verändern, indem sie gezielt Jugendliche mit Migrationshintergrund in den Blick nehmen und um diese werben. Dabei könnten spezifische Stärken von Jugendlichen mit Migrationshintergrund wie

Zweisprachigkeit und Erfahrungen mit unterschiedlichen Kulturen sowie deren Bedeutung für Kunden- und Geschäftsbeziehungen als Auswahlkriterien herangezogen werden. Denn darin sahen immerhin ca. 50 % derjenigen Unternehmen, die besondere Gründe für die Ausbildung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund angegeben haben, einen Vorteil.

Welche Perspektiven bietet die Option Ausbildung für die Zukunft neuer Zugewanderten?

Auf dem deutschen Arbeitsmarkt ist es sehr wichtig, eine abgeschlossene Berufsausbildung zu haben. Ohne Berufsabschluss ist die Wahrscheinlichkeit, arbeitslos zu werden, dreimal so hoch wie mit einem Abschluss. Das heißt: Wer in Deutschland arbeiten möchte, sollte auch einen anerkannten Berufsabschluss erwerben. Damit hat er bessere Einkommensaussichten und ein deutlich geringes Risiko, arbeitslos zu werden.

Sie haben auch erwähnt, dass einige Prozesse wie die Anerkennung oder Prüfungen vielleicht vereinfacht werden sollten. Was genau könnte man besser machen? 

Viele der Zuwanderer, die nach Deutschland kommen, bringen bereits berufliche Kenntnisse und Fertigkeiten mit. Diese sollten anerkannt werden. Darin kommt zum einen die Wertschätzung gegenüber den Migranten zum Ausdruck, zum anderen kann sich durch die Anrechnung von vorhandenen beruflichen Kompetenzen die Länge einer Ausbildung reduzieren.

Um berufliche Kompetenzen von Zuwanderern zu erfassen, müssen Tests entwickelt werden, die viele visuelle Elemente z.B. auch Videosequenzen beinhalten und weniger sprachlastig sind. Zudem wäre es hilfreich, wenn diese Tests auch in englischer Fachsprache und in der Sprache des jeweiligen Herkunftslands vorliegen würden.

Im Fall Spanien haben wir viele Uni-Absolventen, die nach Deutschland kommen. Hier finden sie oft weder Anerkennung (aufgrund der mangelnden Sprachkenntnisse) noch berufliche Perspektiven (insbesondere als Geisteswissenschaftler). Welche Wege sollten diese Menschen Ihrer Meinung nach gehen, um hier Erfolg zu haben? 

Die Beherrschung der deutschen Sprache ist eine ganz wesentliche Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe und berufliche Integration in Deutschland. Hilfreich wäre es, wenn die Menschen sich vorab über die Situation auf dem deutschen Arbeitsmarkt erkundigen. Die Arbeitslosigkeit ist zwar insgesamt relativ niedrig, aber in manchen Bereichen durchaus hoch. So wird man sich als spanischer Geisteswissenschaftler mit wenigen deutschen Sprachkenntnissen sicher schwer tun.

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